II. Haftungsrechtliche Konsequenzen
1. Aus strafrechtlicher Sicht
Bei dem tragischen Unglück sind zwei Bauarbeiter ums Leben gekommen. Möglicherweise müssen sich der Bauleiter und darüber hinaus auch der Architekt sowie der Statiker strafrechtlich wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB und Baugefährdung gem. § 319 StGB vor Gericht verantworten. Nach eigenen Angaben ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf.
2. Aus zivilrechtlicher Sicht
a) Ansprüche der Hinterbliebenen
Für Angehörige der verstorbenen Bauarbeiter könnten sich Ansprüche gegen den Bauleiter bzw. das Bauunternehmen und auch gegen den Architekten sowie den Statiker ergeben. Berücksichtigt werden muss bei der Haftung auch, dass hier ohne eine Baufreigabe gebaut worden ist. Möglicherweise lag bei Beginn der Arbeiten nicht einmal die Baugenehmigung vor, denn nach der Pressemitteilung der Stadt Düsseldorf ist diese erst am frühen Nachmittag des 27.07.2020 erteilt worden.
Nach § 844 Abs. 3 BGB haben Hinterbliebene, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, für das ihnen zugefügte seelische Leid einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Für die Höhe des Anspruchs kommt es auf Art und Ausmaß des erlittenen Leids an, wobei der Gesetzgeber im Durchschnitt von einem ungefähren Betrag von 10.000 € ausgeht. Abweichungen nach oben und unten sind aber möglich.
Daneben kommt auch ein Anspruch für Schockschäden in Betracht, wobei dieser bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes nach § 844 Abs. 3 BGB berücksichtigt werden kann. Ein solcher Schadensersatz für Schockschäden ist dann ersatzfähig, wenn eine schwere Beeinträchtigung vorliegt. Die Beeinträchtigung muss über das übliche Maß an Trauer über den Tod eines Angehörigen hinausgehen (ansonsten allgemeines Lebensrisiko). Es müssen medizinisch konstatierbare Folgen eintreten, wie z.B. posttraumatische Belastungsstörungen.
Außerdem kommen Unterhaltsansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB in Betracht. Auch die Beerdigungskosten können nach § 844 Abs. 1 BGB verlangt werden.
b) Ansprüche des Bauherrn
Für den Bauherrn können sich vertragliche und deliktische Ansprüche gegen den Bauleiter bzw. Bauunternehmer ergeben, da diese die Durchführung der Sanierungsarbeiten unmittelbar zu verantworten haben. Aber auch Ansprüche gegen den Architekten können nicht ausgeschlossen werden, wenn diesem bei der Planung des Bauvorhabens ein Fehler unterlaufen ist. Auch der Statiker ist möglicher Anspruchsgegner.
Der Einsturz des Gebäudes begründet auf Seiten des Bauherrn eine Eigentumsverletzung. Die Frage der fahrlässigen Pflichtverletzung wird man wohl bejahen müssen, auch angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall ohne eine Baufreigabe mit den Arbeiten begonnen wurde. Möglicherweise muss sich der Bauherr von seinem Anspruch aber einen Mitverschuldensanteil abziehen lassen, falls er sein Einverständnis zum Beginn der Bauarbeiten ohne Baufreigabe erklärt hat.
Vieles ist noch ungeklärt. Wir beobachten den Fall und seine Entwicklung weiter und berichten.
Düsseldorf, 31. Juli 2020
M. Sezer, Rechtsreferendar
Dr. D. Jasper, Rechtsanwalt