Aufklärung über frühere Verbrechen im Haus?
Das Landgericht Coburg hatte zuletzt einen medienwirksamen Fall entschieden (Landgericht Coburg, Urteil vom 06. Oktober 2020 – Az. 11 O 92/20). Dabei hatte die Klägerin im Jahr 2018 eine Immobilie von der Beklagten erworben. Die Beklagte hatte als Verkäuferin im Zuge des Verkaufsprozesses jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass vor 20 Jahren in diesem Haus eine Frau und ein Kleinkind ermordet wurden. Die Klägerin wollte daher den notariellen Kaufvertrag rückabwickeln und erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sie wendete hierzu ein, dass sie das Anwesen nicht erworben hätte, wenn sie von diesem psychisch belasteten Ereignis vor dem Kauf Kenntnis gehabt hätte.
Offenbarungspflicht? Ja/Nein
Das Landgericht Coburg wies die Klage der Käuferin ab. Nach Überzeugung des Gerichts kann die Tatsache, dass in einem zum Verkauf stehenden Haus ein Verbrechen stattgefunden hat, je nach den Umständen des Falls auch ungefragt aufklärungspflichtig sein. Dies gelte jedoch nicht zeitlich uneingeschränkt, da bei objektiver Bewertung die Bedeutung eines derartigen Umstands für die Kaufentscheidung mit zunehmendem Zeitablauf geringer wird. Im vorliegenden Fall des Landgerichts Coburg sind zwischen dem zweifachen Mord, der am 02. Oktober 1998 stattgefunden hat, und seit dem Kaufvertragsabschluss am 13. Dezember 2018 mehr als 20 Jahre vergangen. Nach Überzeugung des Gerichts müsse über ein so lange zurückliegendes Verbrechen ohne Nachfrage oder Hinzutreten besonderer Umstände nicht aufgeklärt werden.
Keine Arglist
Die Ansprüche der Klägerin scheitern aber allerdings noch aus einem weiteren Punkt. Selbst wenn man von einer Offenbarungspflicht der Verkäuferin ausgehen würde, fehlt es auf Seiten der Beklagten noch an dem arglistigen Handeln. Arglistig handelt nur der, der damit rechnet bzw. billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt beschlossen hätte. Nach informatorischer Anhörung des Gerichtes war keine Arglist bei der Beklagten anzunehmen. Der Umstand, dass das 1998 stattgefundene Verbrechen eine Bedeutung gehabt hätte, spielte für die Beklagte anscheinend keine entscheidende Rolle, da die Beklagte selbst über ein Jahrzehnt in diesem Anwesen lebte. Sowohl für sie als auch für ihren geschiedenen Ehemann spielte dieser Vorfall keine Rolle mehr. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte die Beklagte daher nicht billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin den Vertrag bei Kenntnis der entsprechenden Umstände nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Es lag sodann an der Klägerin das Gegenteil darzulegen und zu beweisen, was ihr nicht gelang.
Das Urteil ist auch inzwischen rechtskräftig geworden, weil die Klägerin ihre Berufung nach Hinweis des Oberlandesgerichtes Bamberg zurückgenommen hat.
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Düsseldorf, den 16. Februar 2022
Autor: Rechtsanwalt Dennis Wiegard