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 |  Dennis Wiegard

Aufklärungspflichten des Verkäufers bei einem Haus- oder Wohnungskauf

Rechtsanwalt - Düsseldorf

Oft zeigen sich Schäden oder Mängel an einer Immobilie erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages. Da gebrauchte Immobilien aber in der Regel unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft werden, stellt sich sodann die Frage, ob der Käufer nachträglich (d.h. nach notarieller Beurkundung) überhaupt noch gegen den Verkäufer vorgehen kann.

Entscheidendes Kriterium ist dabei oftmals die Frage, ob der Verkäufer seine Aufklärungspflichten verletzt hat und dadurch die Sachmängelhaftung wieder auflebt (§ 444 BGB). Da ein Verkäufer von Immobilien allerdings nicht dazu verpflichtet ist über jeden vorhandenen Mangel aufzuklären, stellt sich die Frage, wann Aufklärungspflichten bestehen.

Wann besteht eine Aufklärungspflicht des Verkäufers?

Nach konkreten Fragen

Offenbarungspflicht wegen wesentlicher Bedeutung

1. Nach konkreten Fragen

Eine Aufklärungspflicht besteht nach konkreten Fragen des Käufers. Der Verkäufer ist sodann verpflichtet, die Frage vollständig und richtig zu beantworten. Auf konkrete Fragen dürfen keine Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht werden und der Verkäufer darf keine Fakten oder Wahrheiten „herunterspielen“ oder nur mit der halben Wahrheit herausrücken. Fragt der Käufer also konkret, ob das Haus Schimmel oder Asbest enthält und antwortet der Verkäufer hier mit einem klaren „Nein“, obwohl er keinerlei Kenntnis davon hat, verletzt er seine Aufklärungspflicht, weil er die Frage unzulässig „ins Blaue hinein“ beantwortet hat.

2. Offenbarungspflicht wegen wesentlicher Bedeutung

Bei der zweiten Fallgruppe bestehen Aufklärungspflichten für den Verkäufer auch ohne konkrete Nachfrage des Käufers, da es sich um sogenannte offenbarungspflichtige Umstände handelt. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die jeweilige Tatsache ungefragt zu offenbaren, wenn es um solche Tatsachen geht, die für den Kaufentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung er nach der Verkehrssitte auch erwarten kann.

„…wenn der Verkäufer den Umstand kennt oder ihn für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte (BGH, NJW 1995, 1549 f.)“.

Standardfälle sind hierbei:

  • der Verbau von Asbest oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (BGH, Urteil vom 27. März 2009 – Az. V ZR 30/08)
  • wenn das Gebäude ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet wurde (BGH, Urteil vom 30. April 2003 – Az. V ZR 100/02)
  • wenn der Verkäufer eine vertragliche geschuldete Bodenuntersuchung nicht durchgeführt hat (BGH, Urteil vom 08. März 2012 – Az. VII ZR 116/10)
  • für das Gebäude eine Mietpreisbindung bzw. Sozialbindung vorliegt (BGH, Urteil vom 14. September 2018 – Az. V ZR 165/17)
  • für das Gebäude eine Hochwasser- oder Überflutungsgefahr besteht (BGH, Urteil vom 08. November 1991 – Az. V ZR 193/90)
  • das Grundstück zuvor als Müllkippe benutzt wurde (BGH, Urteil vom 12. Juli 1991 – Az. V ZR 121/90)
  • der Verdacht besteht, dass Schäden an tragenden Holzteilen vorliegen (OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juni 2012 – Az. V U 5/11)
  • für das Gebäude ein Verdacht mit Befall von Hausschwamm besteht (BGH, Urteil vom 07. Februar 2003 – Az. V ZR 25/02)
  • das Gebäude unter Denkmalschutz steht (OLG Celle, Urteil vom 13. Mai 1988 – Az. 4 U 101/87)
  • wenn extremes schikanöses Verhalten der Nachbarn bzw. mehrjährige nächtliche Ruhestörungen bekannt sind (OLG Frankfurt, Urteil vom 20. Oktober 2004 – Az. 4 U 84/01 und BGH, Urteil vom 22. Februar 1991 – Az. V ZR 299/89 und Landgericht Coburg, Urteil vom 23. Dezember 2014 – Az. 23 O 358/13).

Aufklärung über frühere Verbrechen im Haus?

Das Landgericht Coburg hatte zuletzt einen medienwirksamen Fall entschieden (Landgericht Coburg, Urteil vom 06. Oktober 2020 – Az. 11 O 92/20). Dabei hatte die Klägerin im Jahr 2018 eine Immobilie von der Beklagten erworben. Die Beklagte hatte als Verkäuferin im Zuge des Verkaufsprozesses jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass vor 20 Jahren in diesem Haus eine Frau und ein Kleinkind ermordet wurden. Die Klägerin wollte daher den notariellen Kaufvertrag rückabwickeln und erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sie wendete hierzu ein, dass sie das Anwesen nicht erworben hätte, wenn sie von diesem psychisch belasteten Ereignis vor dem Kauf Kenntnis gehabt hätte.

Offenbarungspflicht? Ja/Nein

Das Landgericht Coburg wies die Klage der Käuferin ab. Nach Überzeugung des Gerichts kann die Tatsache, dass in einem zum Verkauf stehenden Haus ein Verbrechen stattgefunden hat, je nach den Umständen des Falls auch ungefragt aufklärungspflichtig sein. Dies gelte jedoch nicht zeitlich uneingeschränkt, da bei objektiver Bewertung die Bedeutung eines derartigen Umstands für die Kaufentscheidung mit zunehmendem Zeitablauf geringer wird. Im vorliegenden Fall des Landgerichts Coburg sind zwischen dem zweifachen Mord, der am 02. Oktober 1998 stattgefunden hat, und seit dem Kaufvertragsabschluss am 13. Dezember 2018 mehr als 20 Jahre vergangen. Nach Überzeugung des Gerichts müsse über ein so lange zurückliegendes Verbrechen ohne Nachfrage oder Hinzutreten besonderer Umstände nicht aufgeklärt werden.

Keine Arglist

Die Ansprüche der Klägerin scheitern aber allerdings noch aus einem weiteren Punkt. Selbst wenn man von einer Offenbarungspflicht der Verkäuferin ausgehen würde, fehlt es auf Seiten der Beklagten noch an dem arglistigen Handeln. Arglistig handelt nur der, der damit rechnet bzw. billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt beschlossen hätte. Nach informatorischer Anhörung des Gerichtes war keine Arglist bei der Beklagten anzunehmen. Der Umstand, dass das 1998 stattgefundene Verbrechen eine Bedeutung gehabt hätte, spielte für die Beklagte anscheinend keine entscheidende Rolle, da die Beklagte selbst über ein Jahrzehnt in diesem Anwesen lebte. Sowohl für sie als auch für ihren geschiedenen Ehemann spielte dieser Vorfall keine Rolle mehr. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte die Beklagte daher nicht billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin den Vertrag bei Kenntnis der entsprechenden Umstände nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Es lag sodann an der Klägerin das Gegenteil darzulegen und zu beweisen, was ihr nicht gelang.

Das Urteil ist auch inzwischen rechtskräftig geworden, weil die Klägerin ihre Berufung nach Hinweis des Oberlandesgerichtes Bamberg zurückgenommen hat.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.

Düsseldorf, den 16. Februar 2022

Autor: Rechtsanwalt Dennis Wiegard

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