Grundstückskaufverträge über gebrauchte Immobilien können für manche Käufer tückisch sein. Oft enthalten diese Verträge weithin bekannte Klauseln, wonach der Verkäufer erklärt, dass ihm keine unsichtbaren Mängel bekannt seien. Später stellen sich solche Mängel allerdings heraus. Was kann der Käufer dann tun? Tritt er vom Vertrag zurück? Erklärt er die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung? In beiden Fällen spricht viel für eine gerichtliche Auseinandersetzung.
In einem die bisherige Rechtsprechung bestätigenden Urteil hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 06. März 2020, Az. V ZR 2/19; Bestätigung des Urteils des BGH vom 30.04.2003, Az. V ZR 100/02, NJW 2003, 2380) festgestellt, dass eine solche Erklärung des Verkäufers keine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigt, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände trifft.
Eine Umkehr der Beweislast findet nicht statt.
Einer solchen Erklärung – so der BGH – kommt kein Beweiswert in Bezug auf die von dem Verkäufer behauptete Aufklärung zu. Hat diese Aufklärung stattgefunden, liegt es nahe, dass der Verkäufer nicht länger von einem „unsichtbaren“ Mangel ausgegangen ist. Der Käufer kann sich insofern nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde beziehen. Denn sie erstreckt sich – so der BGH – nur auf die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarung. Dagegen gilt sie nicht für die bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilten Informationen; diese bedürfen nicht der notariellen Vereinbarung und nehmen daher an der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht teil (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2011, V ZR 171/10, VersR 2012, 452, Rdnr. 17 insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 190, 272; Urteil vom 13. Juni 2008 – V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rdnr. 17; Urteil vom 30. April 2003 – V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2382).
Für die dem Käufer obliegende Beweisführung - so der BGH -, dass ihm bestimmte Informationen von dem Verkäufer vor Vertragsschluss nicht gegeben worden seien, kann der Inhalt des Kaufvertrages nur eine – je nach den Umständen mehr oder minder große – indizielle Bedeutung haben (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2011 – V ZR 171/10, a.a.O.; Urteil vom 30. April 2003, V ZR 100/02, a.a.O.).
Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?
In Notarverträgen über den Erwerb von Gebrauchtimmobilien sind Kenntnis- und Haftungsausschlussklauseln üblich, insbesondere, dass – wie hier – der Verkäufer unsichtbare Mängel nicht kennt. Will sich der Käufer später vom Kaufvertrag lösen, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände (Genehmigungssituation des Objektes etc.).
Da diese Klauseln in fast jedem Grundstückskaufvertrag für Gebrauchtimmobilien zu finden sind, bleibt dem Käufer nichts anderes übrig, als den Kaufgegenstand vor Abschluss des Kaufvertrages auf „Herz und Nieren“ zu prüfen (due diligence). Immobilienprofis handhaben dies schon seit Jahren so. Auch der private Käufer ist daher gut beraten, die genaue Prüfung des Vertragsgegenstandes selbst und mit Hilfe von Architekten oder Ingenieuren und Rechtsanwälten durchzuführen. Sollte er diese Kosten – die allerdings sehr gut angelegt sind – nicht aufwenden wollen, so ist jedenfalls dringend zu empfehlen, sämtliche Begehungen, Besichtigungen, Erläuterungen, Verhandlungsgespräche etc. genauestens zu protokollieren, gegebenenfalls diese Protokolle von dem Vertragspartner vor Abschluss des Kaufvertrages gegenzeichnen zu lassen, und sie als Anlage zum Grundstückskaufvertrag zu nehmen. Denn ansonsten droht dem Käufer – wie in dem Fall des Bundesgerichtshofs – das Dilemma, darlegungs- und beweisbelastet für die unterbliebene Aufklärung von offenbarungspflichtigen Umständen zu sein. In der Praxis wird er diese hohen Hürden meist nicht überwinden können und einen angestrengten Prozess verlieren.
Rechtsanwalt Dr. Jasper
Düsseldorf, den 13. Januar 2021