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 |  Dennis Wiegard

Bald keine Mindestvergütungen für Architekten und Ingenieure mehr?

Der Europäische Gerichthof (EuGH)(Az. C‑377/17) entscheidet in diesem Sommer, ob Teile der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) betreffend die Mindestsätze europarechtswidrig sind, weil sie eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und einen Verstoß gegen sowohl Art. 15 Absatz 2 Buchstabe g) der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG als auch Artikel 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) darstellen. Dass der EuGH hier einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bejahen wird, gilt als sehr wahrscheinlich. Das hätte zur Folge, dass zwischen Auftraggeber und Architekt/Ingenieur nur das vertraglich Vereinbarte gilt, nicht jedoch (wie bisher) staatliches Preisrecht.

Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ermöglicht es natürlichen und juristischen Personen, sich in jedem Mitgliedstaat zu gleichen Bedingungen wie Inländer niederzulassen und eine selbständige Tätigkeit auszuüben. Nach den Regeln des EU-Rechts darf sich ein Mitgliedsstaat dabei nicht ohne Rechtfertigung in einen Preiswettbewerb einmischen.

Gerade das in der deutschen HOAI vorgesehene System der Mindestpreise für Architekten- und Ingenieursleistungen stellt nach Auffassung der Europäischen Kommission einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit dar. Das sieht auch der mit dieser Sache beauftragte Generalanwalt beim EuGH so. Meist folgt der EuGH diesem Votum:

Die HOAI hindere – so der Generalanwalt — neue Dienstleistungserbringer aus anderen Mitgliedsstaaten der EU am Marktzugang. Potenziellen neuen Dienstleistungserbringern werde es unmöglich gemacht, einen Marktzugang zu erhalten, wenn eine freie Preisgestaltung ausgeschlossen ist. Ein System mit Mindestpreisen erschwere die Niederlassung von Architekten, die mit Angeboten außerhalb des zugelassenen Preisrahmens mit etablierten Anbietern in Wettbewerb treten wollen. Aufgrund des starken Preisgefälles innerhalb der EU könnten so ausländische Anbieter wegen der HOAI in Deutschland nicht den Vorteil ihrer günstigeren Kostenstruktur nutzen. Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bedeuten für die Europäische Kommission in erster Linie, dass jeder Marktteilnehmer unbeschränkt seine Dienste anbieten kann, ohne sich in ein Preiskorsett zwingen lassen zu müssen. Jede Art der Beschränkung ist unter diesem Gesichtspunkt als Verstoß zu werten.

Die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte hat eingewandt: Der Zweck der Einführung des Mindestpreises sei für den deutschen Gesetzgeber das Interesse an der Wahrung der Qualität der Dienstleistungen. Dem widersprechen selbst deutschen Gerichte: Ein solche Einschätzung beruhe auf einer rein nationalen Betrachtungsweise und habe nicht den allein maßgeblichen unionsrechtlichen Auslegungsmaßstab im Blick (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.02.2005, Az. 13 U 147/04; OLG Naumburg, Urteil vom 13.04.2017, Az. 1 U 48/11). Die Zwecksetzung aufgrund zwingender Gründe des allgemeinen Interesses (Wahrung der Qualität der Dienstleistungen) sieht der Generalanwalt nicht, da die Qualität der Dienstleistungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Preis stehe.

Die Entscheidung des EuGH wird von Auftraggebern begrüßt werden: Sie können ohne Angst vor Nachforderungen von Architekten/Ingenieuren auf die vertraglichen Abmachungen vertrauen. In laufenden Prozessen von Architekten gegen ihren Auftraggeber wegen Unterschreitung von Mindestsätzen nach HOAI würden die Architekten leer ausgehen. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass sich nach einem solchen Urteil mehr ausländische Architekten um innerdeutsche Aufträge bewerben würden. Das stärkt den Wettbewerb.

Autoren:

Rechtsanwalt Dennis Wiegard

Rechtsanwalt Dr. Dieter Jasper

Düsseldorf, den 07.06.2019

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