Erfahrungen & Bewertungen zu JASPER Rechtsanwälte
 |  Dr. Dieter Jasper, LL.M.

Erbbaurecht und Heimfallanspruch

Am 19. Januar 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil zum Erbbaurecht (V ZR 191/22) entschieden, dass eine Gemeinde, die als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten in einem Erbbaurechtsvertrag den Ausschluss der Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall vereinbart, allein hierdurch nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstößt. Die Geltendmachung des Anspruchs auf vergütungslose Rückübertragung des Erbbaurechts unterliegt jedoch einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns. 

Erbbaurecht und Bauverpflichtung

Die Parteien vereinbarten notariell die Einräumung eines Erbbaurechts an einem Grundstück für den Beklagten für die Dauer von 60 Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit von weiteren 30 Jahren mit einem gestaffelten Erbbauzins. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren fertigzustellen. Anderenfalls sollte die Klägerin berechtigt sein, die Rückübertragung des Erbbaurechts zu verlangen (Heimfall). Eine Vergütung für das Erbbaurecht – also der reale Wert des Bauwerks, der Ertragswert für das Erbbaurecht, der Wert für den Rückerhalt der Bodennutzung - wurde für diesen Fall vertraglich ausgeschlossen. Der Beklagte sollte auf Verlangen der Klägerin verpflichtet sein, die Gebäude auf eigene Kosten zu beseitigen. Nach Ablauf von vier Jahren machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend. 

Der BGH hat festgestellt, dass der Beklagte gegen seine vertraglich geregelte Bauverpflichtung verstoßen hat, indem er den ersten Bauabschnitt nicht innerhalb von vier Jahren fertiggestellt hat. Die Vereinbarung über die Bebauungspflicht ist wirksam und nicht unangemessen. Die Gemeinde verfolge mit der Ausgabe eines Erbbaurechts in aller Regel gerade das Ziel, das Grundstück einer Nutzung zuzuführen, die öffentlichen Zwecken dient. Es müsse ihr daher möglich sein, die Bestellung des Erbbaurechts davon abhängig zu machen, dass sich der Erbbauberechtigte zu der Errichtung des Gebäudes verpflichtet, das diese Nutzung ermöglicht.

Keine Vergütung bei Heimfall

 Die vertragliche Vereinbarung über den Heimfall ist wirksam, obwohl die Vergütung für das Erbbaurecht ausgeschlossen wurde. Die Vergütung für den Heimfall kann, wie sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergibt, jedenfalls grundsätzlich individualvertraglich ausgeschlossen werden. Die gesetzliche Wertung nach § 32 ErbbauRG spricht dafür, dass es einer Gemeinde im Grundsatz möglich ist, die Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall gänzlich auszuschließen. Der Heimfall tritt nach den vertraglichen Regelungen regelmäßig nur ein, wenn der Erbbauberechtigte gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt.

Verhältnismäßigkeit

Wird die Heimfallvergütung ausgeschlossen, dann muss der Heimfallanspruch einer strengen Ausübungskontrolle unterliegen, er muss verhältnismäßig sein. Der Heimfall darf nicht dazu führen, dass der private Erbbauberechtigte für seinen Verstoß gegen vertragliche Pflichten übermäßig sanktioniert wird. Denn so könnte sich der vergütungslose Heimfall der Sache als unangemessene Vertragsstrafe darstellen. Daher muss die Gemeinde bei der Ausübung ihres Ermessens beachten: (1) Art und Bedeutung des Heimfallgrundes, also die Schwere des Vertragsverstoßes des Erbbauberechtigten, und (2) die Folgen, die der vergütungslose Heimfall für den Erbbauberechtigten hätte. Beides muss in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Unverhältnismäßigkeit kann angenommen werden, wenn (1) der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruht und (2) das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt ist und (3) der Erbbauberechtigte erheblich investiert hat sowie (4) die Gemeinde absehbar in der Lage sein wird, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten (und damit einen gewissen Vorteil zieht).

Praxisrelevanz

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des BGH, dass der Erbbauberechtigte die Bauverpflichtung und die Einhaltung der Zeitvorgaben nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Denn der (gemeindliche) Grundstückseigentümer darf sich vertraglich die Übertragung des Erbbaurechts ohne Zahlung einer Vergütung als Wertersatz für seine Investitionen vorbehalten. Der Erbbauberechtigte ist insoweit nicht schutzbedürftig, denn er kann sich darauf einstellen, dass er keine Vergütung für diese Investitionen erhält, wenn er seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Die Gemeinde muss allerdings bei der Geltendmachung des Heimfallanspruchs genau darauf achten, dass ihr Handeln verhältnismäßig und nicht als eine unangemessene Vertragsstrafe zu qualifizieren ist. Also muss die Gemeinde sehr genau prüfen, wie schwer die Vertragsverletzung ist, ob das Bauwerk (fast) fertiggestellt ist, wie hoch die Investitionen des Erbbauberechtigten waren und ob die Gemeinde das Bauwerk (zum eigenen Vorteil) alsbald nutzen oder verwerten kann.

 

Düsseldorf den 25. Januar 2024

Dr. Dieter Jasper

Rechtsanwalt

Share on LinkedIn
Share on XING