Die Abnahme der Werkleistung spielt im Werkvertragsrecht eine ganz zentrale Rolle. An sie sind zahlreiche, für beide Vertragsparteien sehr wichtige Rechtsfolgen geknüpft. Dies gilt für einfache Verträge über einzelne Gewerke bis hin zum Bauträgervertrag. So wird mit der Abnahme der Werklohnanspruch des Unternehmers fällig und die Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen. Auch verlagert sich mit erfolgter Abnahme die Darlegungs- und Beweislast für Mängel. Bis zur Abnahme muss der Unternehmer darlegen, dass er mangelfrei geleistet hat. Nach der Abnahme muss hingegen der Besteller den Nachweis führen, dass ein aufgetretener Mangel von dem Unternehmer verursacht wurde. Gerade diese Nachweispflicht ist in der Praxis von großer Bedeutung. Schließlich geht mit der Abnahme auch die Leistungs- und Vergütungsgefahr über. Das bedeutet, dass der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt das Risiko trägt, seine Leistung ohne zusätzliche Vergütung komplett neu erbringen zu müssen, wenn sie ohne sein Verschulden untergeht.
Es verwundert daher nicht, dass in der Praxis die am Vertrag Beteiligten oft darüber streiten, ob die Leistung des Unternehmers tatsächlich wirksam abgenommen ist. Der Unternehmer hat regelmäßig Interesse an der Abnahme, insbesondere da zu diesem Zeitpunkt sein (restlicher) Werklohn zur Zahlung durch den Besteller fällig wird und die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Der Besteller wiederrum verteidigt sich gegen den Zahlungsanspruch des Unternehmers regelmäßig mit dem Hinweis, er habe die Leistung des Unternehmer wegen Mängeln noch nicht abgenommen und auch nicht abnehmen müssen. Häufig wendet der Besteller dabei aber nur geringwertige Mängel ein und es stellt sich dann mit Blick auf § 640 Absatz 1 Satz 2 BGB die Frage, ob die behaupteten Mängel den Besteller tatsächlich zur Verweigerung der Abnahme berechtigen. Denn nach dieser Vorschrift kann die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden.
Das OLG Köln hat sich einer Entscheidung vom 28. Oktober 2020 (Aktenzeichen 17 U 44/16) mit der Frage beschäftigt, wann noch offene Restarbeiten an einem Bauwerk so erheblich sind, dass sie den Besteller zur Verweigerung der Abnahme berechtigen. Konkret ging es dabei um die noch fehlende Reinigung, Beschilderung und Beschriftung, fehlende Steckdosen etc. in einer großen Wohnungseigentumsanlage, die schriftlich in einem Protokoll festgehalten waren.
Laut Ansicht des OLG Köln sind diese Restarbeiten und Mängel im Verhältnis zu der großen Eigentumsanlage als unwesentlich und geringfügig im Sinne des § 640 Absatz 1 Satz 2 BGB anzusehen. Unter Zugrundelegung der Verkehrsauffassung und dem Interesse der Bestellerin an einem mangelfreien Werk stellen die noch offenen Restarbeiten und Mängel lediglich unbedeutende Beeinträchtigungen dar, die bezogen auf den Herstellungsaufwand der Gesamtanlage mit einem geringen Aufwand für den Unternehmer zu beseitigen waren. Daher war der Bestellerin nach Ansicht des OLG Köln auch zuzumuten, das Werk des Unternehmers als im Wesentlichen vertragsgemäß abzunehmen.
Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, kann in der Praxis aber tatsächlich zu großen Schwierigkeiten führen. Denn es kommt immer auf eine sorgsame Prüfung des jeweiligen Einzelfalls an, ob Mängel und Restarbeiten tatsächlich so erheblich sind, dass sie den Besteller zur Verweigerung der Abnahme berechtigen. Verallgemeinerungen sind nicht möglich und auch nicht angezeigt. Ein vorzeitiges und ohne ausreichend rechtliche Prüfung eingeleitetes Klageverfahren kann – je nach Sachlage – daher für beide Seiten mit einem enormen Zeit- und Kostenverlust verbunden sein. Es empfiehlt sich vielmehr, die Gegebenheiten im Einzelfall ganz genau zu prüfen um die Frage zu beantworten, ob die Leistung des Unternehmers tatsächlich abnahmereif ist. Wir beraten Sie dazu gerne.
Autor:
Rechtsanwalt Axel Kötteritzsch
Düsseldorf, den 15. Oktober 2021