Massive Quartiersentwicklung droht, was tun?
Die Ballungsräume in der Bundesrepublik Deutschland werden immer dichter besiedelt. Da nicht unbegrenzt neue Flächen zur Verfügung stehen, wird mittlerweile eine Tendenz sichtbar, wonach bestehende Quartiere massiv verdichtet werden. Dagegen wehren sich immer öfter die teilweise seit Jahrzehnten in diesen Quartieren beheimateten Bewohner. Eine solche Gegenwehr bedarf allerdings genauer Planung, klugen Vorgehens und Bündelung von Kräften, um gegen professionelle Quartiersentwickler bestehen zu können.
In diesem Beitrag soll nur ein grober Rahmen dafür abgesteckt werden, welche Maßnahmen in einem solchen Fall für die gegenwärtigen Anwohner sinnvoll erscheinen und welche Fehler man gerade zu Beginn einer solchen „Abwehrschlacht“ nicht machen sollte:
1. Das erste Problem besteht darin, dass nicht ausreichend Informationen zur Verfügung stehen, um überhaupt eine rechtliche Handhabe gegen massive neue Quartiersentwicklungen in der Hand zu haben. Hierzu sind die Anwohner zunächst darauf angewiesen, über die üblichen Kanäle wie Presse, Internet, persönliche Kontakte usw. Informationen darüber zu sammeln, was an Verdichtung in dem Quartier allgemein und insbesondere geplant ist. Dazu gehören zusätzliche Neubauten, Aufstockungen, Errichten von Penthouse-Wohnungen, Ausbau von Dächern, Neubau von Quartiersgaragen usw. In der Regel werden sich für solche größeren Projekte die Entwickler mit der Stadt ins Benehmen setzen und gegebenenfalls über Bauvoranfragen oder Ähnliches nicht nur die politische, sondern auch die verwaltungsrechtliche Machbarkeit prüfen wollen. Und hier liegen bereits die ersten Ansatzpunkte, die die Anwohner unbedingt berücksichtigen sollten.
2. Eine wichtige, manchmal allerdings zu sehr im Fokus liegende Maßnahme sind „mediale Maßnahmen“, gemeint damit ist das übliche „Dann schalte ich eben die Presse ein!“. Pressewirksame Äußerungen, Schalten von Anzeigen, Interviews etc. sind jedoch nur dann empfehlenswert, wenn sich auch nach einer ersten überschlägigen Prüfung ein rechtlicher Ansatzpunkt zu Gunsten der Anwohner ergibt.
3. Sodann ist die zweite Ebene zu betrachten. Sobald entsprechende Bescheide auf Bauvoranfragen oder gar Baugenehmigungen erteilt sind, sind die betroffenen Anwohner aufgefordert, kurzfristig dagegen vorzugehen. Wird ihnen als Nachbarn die Baugenehmigung zugestellt, haben sie eine Frist von einem Monat, vor dem zuständigen Verwaltungsgericht (in manchen Bundesländern auch erst im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens) diesen Verwaltungsakt anzugreifen. Sollten sie keine direkte Zustellung und keine Kenntnis gehabt haben, läuft eine 1-Jahresfrist ab Kenntnisnahme, innerhalb derer dann eine entsprechende gerichtliche Maßnahme eingeleitet werden muss.
4. Aber leider geschehen auch bei solchen juristischen Schritten viele Fehler. Oft wird verkannt, dass nicht jeder einfach gegen eine solche Baugenehmigung vorgehen kann. Es kann nur derjenige klagen, der klagebefugt ist (§ 42 VwGO). Als Nachbar muss er darlegen, in seinen Nachbarrechten beeinträchtigt worden zu sein. Hier ist genau Obacht zu geben, denn diese Regelungen gelten dazu, Popularklagen („jeder klagt wie er lustig ist“) zu vermeiden.
5. Ein Hinweis noch zum Schluss: Nicht jeder Verstoß gegen Vorgaben in einem Gesetz führt am langen Ende zu einer erfolgreichen Klage eines Nachbarn gegen eine solche Quartiersentwicklung oder Baugenehmigung. Erfolg wird man nur dann haben, wenn der Nachbar auch konkret in seinen Rechten beeinträchtigt wurde. Das muss er im Zweifel darlegen und beweisen.
Zusammengefasst ist es also sehr ratsam, sich bei Auseinandersetzungen zu Quartiersentwicklungen frühzeitig kompetenter anwaltlicher Hilfe zu bedienen.
Düsseldorf, den 20. August 2021
Dr. Dieter Jasper