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 |  Axel Kötteritzsch

Verbraucherbauvertrag – Nicht bei der Vergabe einzelner Gewerke

Verbraucherbauvertrag – Nicht bei der Vergabe einzelner Gewerke

Schließt ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB mit einem Unternehmer im Sinne des § 14 BGB einen Vertrag über den Umbau oder die Neuerrichtung eines Bauwerks, so ist zu klären, ob es sich dabei um einen sogenannten Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB oder um einen „einfachen“ Verbrauchervertrag gemäß §§ 312 ff. BGB im Bereich des Bau- und Architektenrechts handelt. Die Abgrenzung ist wichtig, denn beide Vorschriften weichen in ihren Rechtsfolgen – für Auftraggeber und Auftragnehmer – ganz erheblich voneinander ab.

Widerrufsmöglichkeit des Vertrags

Beide Verträge sind zum Schutz des Auftraggebers als Verbraucher widerrufbar. Der Verbrauchervertrag jedoch nur, wenn er außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b BGB) oder als Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB) geschlossen wurde. Diese Einschränkungen gelten beim Verbraucherbauvertrag nicht.

Rechtsfolgen eines Widerrufs

Hat der Auftraggeber den Verbrauchervertrag wirksam widerrufen, steht dem Auftragnehmer (Unternehmer) keine Vergütung zu, wenn er bis dahin bereits Leistungen erbracht hat. Er muss sogar bereits erhaltene Zahlungen (Abschläge, aber auch die Schlusszahlung) zurückerstatten und kann für seine erbrachten Leistungen keinen Wertersatz verlangen. Im Falle des Widerrufs eines Verbraucherbauvertrags hingegen schuldet der Auftraggeber wenigstens Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen. Die Unterscheidung zwischen beiden Verträgen ist daher wichtig, weil der Auftragnehmer im Fall des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags stark Gefahr läuft, „kostenlos“ gearbeitet zu haben.

Bauhandwerkersicherung und Kündigung

Schließlich kann der Auftragnehmer bei Abschluss eines Verbraucherbauvertrags von dem Auftraggeber keine Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB verlangen und daher den Vertrag auch nicht kündigen. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen beiden Verträgen für die Praxis bedeutsam.

Bisheriger Streitstand

Die Frage, wann genau ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, war in der Rechtsprechung umstritten.

Die Oberlandesgerichte Hamm (24 U 198/20) und Zweibrücken (5 U 52/21) hatten entschieden, dass ein Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB auch dann vorliegt, wenn der Bauherr einzelne Gewerke an verschiedene Unternehmer vergibt, sofern die Beauftragungen zeitgleich oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen und zu der Errichtung des neuen Gebäudes beitragen. Das Oberlandesgericht München (20 U 8299/21) und das KG (21 U 41/21) hingegen hatten einen Verbraucherbauvertrag nur dann angenommen, wenn der Bauherr alle Gewerke, die er im Rahmen seines Vorhabens beauftragen will, an einen einzelnen Unternehmer („Bauen aus einer Hand“ wie bei einem Generalunternehmer oder Generalübernehmer) vergibt.

Aktuelle Entscheidung des BGH

Diesen Streit hat der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung vom 16. März 2023 (VII ZR 94/22) entschieden. Die Vergabe von einzelnen Gewerken im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes reicht nicht aus, um einen Verbraucherbauvertrag anzunehmen. Dem steht schon der eindeutige Wortlaut des § 650i BGB entgegen. Und auch der Verbraucherschutz rechtfertigt nicht, angesichts des klaren Gesetzestexts auf die Vergabe einzelner Gewerke dieselben Vorschriften anzuwenden wie auf die Errichtung eines Neubaus. Schließlich können mangels planwidriger Regelungslücke die Vorschriften über den Verbraucherbauvertrag auch nicht entsprechend (analog) auf Verträge über einzelne Gewerke bei der Errichtung eines neuen Gebäudes angewandt werden.

Düsseldorf, den 27. März 2023

Rechtsanwalt Axel Kötteritzsch

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