Erfahrungen & Bewertungen zu JASPER Rechtsanwälte
 |  Axel Kötteritzsch

Zugesicherte Eigenschaft ist auch ohne Eigenleistung des Auftraggebers einzuhalten

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass der Auftraggeber eines Bauwerks – in der Regel um Kosten einzusparen – Eigenleistungen daran vornimmt. Die Abgrenzung der einzelnen Bauleistungen im Leistungsverzeichnis, die jeweils der Auftragnehmer und der Auftraggeber zu erbringen haben (Schnittstelle), muss stets sehr sorgfältig erfolgen, da sonst einzelne Positionen entweder vergessen oder doppelt berücksichtigt werden. Unterbleibt die sorgsame Abgrenzung und hat das Bauwerk später Mängel, ist der zeit- und kostenintensive Streit zwischen den Beteiligten darüber, in wessen Verantwortungsbereich diese Mängel fallen, regelmäßig schon vorprogrammiert.

In seiner Entscheidung vom 15. Juni 2021 (Aktenzeichen 28 U 1262/21) weist das OLG München darauf hin, dass der Auftragnehmer alle Leistungen zu erbringen hat, um die vertraglich geschuldete Beschaffenheit – hier die Erreichung des KfW-40 Standards – herbeizuführen. Der Auftragnehmer kann sich ohne einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis in seinem Angebot nicht darauf berufen, dass der Auftraggeber noch Eigenleistungen hätte erbringen müssen.

Der beklagte Unternehmer hatte den Klägern die Errichtung eines Hauses angeboten. Das Angebot des Beklagten setzte sich aus verschiedenen einzelnen Komponenten (zum Beispiel Keller) zusammen. Die Detailbeschreibung des angebotenen Hauses enthielt auch eine einzelne Position, wonach das Objekt als KfW-40 Haus errichtet werden musste. In der Beschreibung des Kellers fand sich unter anderem der Hinweis an die Kläger, dass diese einen Schutz der Außenabdichtung gegen Feuchtigkeit in Eigenleistung vorzunehmen haben. Nach erfolgter Abnahme rügten die Kläger, der zugesicherte Standard eines KfW-40 Hauses läge nicht vor. Der Beklagte verteidigte sich mit dem Einwand, für diesen Standard wäre eine entsprechende Dämmung notwendig gewesen, die die Kläger als Eigenleistung aber nicht erbracht hätten. Daher treffe sie ein Mitverschulden.

Diesen Einwand des Beklagten weist das OLG München zurück. Dem Vertrag zufolge wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, alle notwendigen Leistungen zu erbringen, um die zugesicherten KfW-40 Standards zu erreichen. Auch wenn dessen Angebot aus verschiedenen Einzelpositionen zusammengesetzt war, konnten die Kläger als verständige Empfänger dieses nach Ansicht des OLG München nur so verstehen, dass sich die zugesicherte Eigenschaft - KfW-40 - auf das Gesamtgebäude und eben nicht nur auf einzelne Teile davon bezog. Der Beklagte hatte die energetische Eigenschaft des Bauwerks beschrieben und für die Energieoptimierung sogar ein zusätzliches Entgelt verlangt, so dass die Kläger nicht damit rechnen mussten, von dem Beklagten dafür nur ein Teilleistung zu erhalten und selbst noch ergänzende Eigenleistungen erbringen zu müssen. Hinzu kommt für das OLG München, dass im Angebot des Beklagten bezüglich der Außenabdichtung ein klarer Hinweis auf die Eigenleistung der Kläger enthalten ist, während ein solcher Hinweis auf die Dämmung fehlt. Die Beklagte durfte den Klägern nicht ein KfW-40 Haus verkaufen, das erst durch eine Eigenleistung der Kläger überhaupt erst zu einem solchen wird.

In diesem Fall fiel der Streit über den Inhalt des Leistungsverzeichnisses und die danach vom Unternehmer zu erbringende Leistung (Bau-Soll) zugunsten der klagenden Auftraggeber aus. Das OLG München gab den Klägern Recht, dass der Auftragnehmer ohne einen ausdrücklichen Hinweis in seinem Angebot bzw. seinem Leistungsverzeichnis auf Eigenleistungen des Auftraggebers verpflichtet ist, alle notwendigen Leistungen zur Erreichung der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit in Bezug auf das Gesamtgebäude zu erbringen, um so für den Bauherren insgesamt ein funktionales Bauwerk zu errichten. Daher ist die sorgfältige Prüfung, Abstimmung und Abfassung des Leistungsverzeichnisses für beide Seiten eines solchen Bauvertrags ganz wichtig, wenn der Unternehmer nicht alle Leistungen erbringen soll, sondern der Bauherr einzelne Gewerke als Eigenleistung selbst erbringt.

Autor:
Rechtsanwalt Axel Kötteritzsch

Düsseldorf, den 21. September 2021

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