Bereits in der Vergangenheit hatten wir darauf hingewiesen, dass das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) überarbeitet und verändert werden soll. Das Reformgesetz wurde am 16. Oktober 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt am 01. Dezember 2020 in Kraft. Im 1. Teil unserer Reihe zu diesem Reformgesetz hatten wir auf die Möglichkeiten hingewiesen, Eigentümerversammlungen in Zukunft auch online abzuhalten.
In diesem Beitrag befassen wir uns mit den baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum oder die Gestattung baulicher Veränderungen (§ 20 WEG-Neu) sowie die Nutzen und Kosten bei baulichen Veränderungen (§ 21 WEG-Neu).
Bauliche Veränderungen können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Dabei sind bauliche Veränderungen Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (§ 20 Abs. 1 WEG-Neu). Jeder Wohnungseigentümer selbst kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die erstens dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, zweitens dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, drittens dem Einbruchsschutz und viertens dem Anschluss an das Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 WEG-Neu). Unabhängig davon kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind (§ 20 Abs. 3 WEG-Neu). Mit diesen Regelungen werden den einzelnen Wohnungseigentümern neue Rechte eingeräumt, die allerdings nicht grenzenlos sind. Denn bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen oder gestattet werden, sie können auch nicht verlangt werden (§ 20 Abs. 4 WEG-neu).
Wegen der Kosten ist es so, dass grundsätzlich diejenigen Eigentümer die Kosten zu tragen haben, die der Maßnahme zugestimmt haben. Die Kostentragung nach Miteigentumsanteilen gilt dann, wenn die Maßnahme mit mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen und mit mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen worden ist; das gilt allerdings dann nicht, wenn die bauliche Veränderung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG-Neu). Wenn sich die Kosten einer Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren, dann kann eine Verteilung der Kosten auf sämtliche Eigentümer vorgesehen sein (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 WEG-Neu). Was ein angemessener Zeitraum ist, ist gesetzlich nicht festgelegt. Aus der Begründung zum Gesetz kann man aber wohl annehmen, dass im Regelfall ein Zeitraum von zehn Jahren angemessen sein könnte. Schließlich kann ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzen zu ziehen, verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich erstattet wird (§ 21 Abs. 4 WEG-Neu).
Diese neuen Regelungen hat der Gesetzgeber in das Gesetz aufgenommen, um eine größere Flexibilität im Hinblick auf Veränderungen in bestehenden WEGs (wie beispielsweise Elektroladestationen, Einbauschutz, neueste Telekommunikationsnetze) anzubieten. So können auch Wohnungseigentümer – wenn sie die Kosten dafür tragen – ohne Zustimmung der anderen Mitglieder bauliche Veränderungen verlangen und wird nicht durch eine (unflexible) Mehrheit der anderen WEG-Mitglieder dauerhaft blockiert, was in der Vergangenheit öfter vorgekommen ist.
Diese Änderungen des Gesetzgebers sind zu begrüßen. Ob und inwieweit sie in der Praxis zu einer wesentlichen Erleichterung führen, wird sich zeigen. Auch hierzu werden wir weiter berichten.
Rechtsanwalt Dr. Dieter Jasper
Düsseldorf, den 11. November 2020