1. Allgemeines
Der Nießbrauch gewährt das dingliche Recht, die gesamten Nutzungen des mit ihm belasteten Gegenstandes (Grundstück) zu ziehen (§ 1030 BGB). Nutzungen sind nach § 100 BGB die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder das Recht gewährt. Der Nießbrauch ist seinem Wesen nach eine Dienstbarkeit, gibt dem Berechtigten aber im Gegensatz zu anderen Dienstbarkeiten das Recht zur umfassenden Benutzung der Sache.
Durch den Nießbrauch an einem Grundstück entsteht zwischen Eigentümer und Nießbrauchberechtigten ein gesetzliches Schuldverhältnis, das in den §§ 1030 ff. BGB geregelt ist. Die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Schuldverhältnisses des Nießbrauchs können durch vertragliche Vereinbarungen mit dinglicher Wirkung abgeändert werden, sofern sie nicht gegen das Wesen des Nießbrauchs verstoßen. Der Nießbrauch als dingliches Recht ist von rein schuldrechtlichen Nutzungsrechten abzugrenzen. Im Gegensatz zum Nießbrauch als dingliches Recht wirken schuldrechtliche Nutzungsvereinbarungen nur zwischen den Parteien. Sie geben dem Berechtigten nur ein obligatorisches Recht Nutzen zu ziehen, ähnlich einem Pachtvertrag. Der Nießbrauch gibt dem Berechtigten eine sachenrechtliche Befugnis auf Nutzungsziehung.
Der Nießbrauch an Grundstücken spielt eine ganz besondere Rolle. Das gilt in besonderer Weise bei der vorweggenommenen Erbfolge, also bei Grundstücks- und Betriebsüberlassungen. Der Übergeber behält sich dabei den Nießbrauch, also die umfassende Benutzung vor. Bei Erbfolgeregelung kann anstelle einer Vor- und Nacherbfolgeregelung ein Nießbrauchsvermächtnis bestellt werden. Im Bereich einer Familie können durch die Bestellung des Nießbrauchs Einkünfte verlagert werden. Die damit stets verbundenen steuerlichen Probleme sind besonders zu beachten. Für die Bestellung eines Nießbrauchs können ein Überlassungsvertrag, eine Verfügung von Todes wegen, ein Kauf, ein Sicherungsvertrag oder andere schuldrechtliche Rechtsverhältnisse als schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung des Nießbrauchs zu Grunde liegen.
2. Entstehen und Form
Der Nießbrauch an Grundstücken entsteht durch Einigung und Eintragung (§ 873 BGB). Die Bestellung des Nießbrauchs bedarf keiner Form. Allerdings wird der Nießbrauch nur aufgrund eines Antrags nach § 13 Abs. 1 Grundbuchordnung und einer Bewilligung des Berechtigten nach § 19 Grundbuchordnung in Abt. II. des Grundbuchs eingetragen. Die Bewilligung ist nach § 29 Grundbuchordnung in notariell beglaubigter Form dem Grundbuchamt vorzulegen.
Der Nießbrauch kann auf Lebenszeit eines Berechtigten bestellt werden. Er kann auch aufschiebend bedingt oder auflösend bedingt und auch befristet bestellt werden. Das zu Grunde liegende schuldrechtliche Rechtsverhältnis bedarf der Form des Grundgeschäfts. Ist die Bestellung mit der Verpflichtung zum Verkauf oder zum Erwerb eines Grundstücks verbunden, bedarf das schuldrechtliche Grundgeschäft der Form der notariellen Beurkundung.
3. Entstehung kraft Gesetzes
Ein Nießbrauch kann auch kraft Gesetzes entstehen, z.B. durch Ersitzung (§ 900 Abs. 2 BGB).
4. Übertragung/Pfändung/Beeinträchtigung
Der Nießbrauch ist grundsätzlich nicht übertragbar. Ausnahmen bildet die Übertragbarkeit bei juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften (§§ 1059a ff. BGB). Er ist nicht vererblich. Er erlischt mit dem Tode des Nießbrauchers (§§ 1059, 1061 BGB). Dagegen kann die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten überlassen werden (§ 1059 BGB). Die Überlassung ist im Ganzen oder wegen einzelner Nutzungen möglich. Sie braucht vom Eigentümer nicht ausdrücklich gestattet zu sein. Bei Grundstücken kann die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs nicht im Grundbuch eingetragen werden. Die Ausübung der Überlassung kann jedoch ausgeschlossen und im Grundbuch eingetragen werden. Ein Nießbrauch ist pfändbar. Ein Ausschluss der Überlassungsbefugnis steht dem nicht entgegen. Die Pfändung kann in das Grundbuch eingetragen werden. Wird der Nießbrauch beeinträchtigt, so finden auf die Ansprüche des Nießbrauchers die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften Anwendung (§§ 1065 BGB i.V.m. §§ 985, 987 – 993, 994 – 1003 und 1004, 1005 und 1027 BGB).
5. Belastungsgegenstand
Der Nießbrauch kann bestellt werden an:
• Grundstücken,
• einem ideellen Bruchteil des Grundstücks,
• Erbbaurechten,
• Grundstücksgleichen Rechten,
• Wohnungseigentum/Teileigentum,
• Dauerwohn-Nutzungsrechten,
• Erbteilen,
• Grundpfandrechten,
• einem Vermögen (§ 1085 BGB), das Recht muss durch Einzelakte begründet werden,
• einem Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Der Nießbrauch kann – wie auch bei einer Dienstbarkeit – auf die Ausübung einer Teilfläche eines Grundstücks beschränkt werden. Zulässig ist auch die Bestellung eines Nießbrauchs am ganzen Grundstück, jedoch zu einem bloßen Bruchteil (Quotennießbrauch).
6. Aufhebung und Löschung
Der Nießbrauch kann rechtsgeschäftlich jederzeit aufgehoben werden. Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Berechtigten und bei juristischen Personen sowie einer rechtsfähigen Personengesellschaft mit deren Beendigung. Der Nießbrauch erlischt mit Eintritt einer vereinbarten auflösenden Bedingung oder Ablauf der Frist bei einer Befristung.
Bei Zwangsversteigerungen des belasteten Grundstücks erlischt der Nießbrauch mit Zuschlag, wenn er nicht nach den Versteigerungsbestimmungen bestehen bleiben soll (§ 91 Abs. 1 ZVG). Der Nießbrauch bleibt bestehen, wenn ein nachrangiger Gläubiger die Zwangsversteigerung betreibt. Der Berechtigte eines durch Zuschlag erloschenen Nießbrauchs hat Anspruch auf Ersatz des Wertes aus dem Versteigerungserlös.